1. Geschichtliche Darstellung
Die Blutegeltherapie gehört zu den ältesten Heilmethoden der überlieferten
Medizingeschichte. Eine erste Schilderung ihrer Anwendung findet
sich in der indischen Medizin, wo sie zwischen 600–100 v.Chr. sehr
intensiv angewendet wird. In Europa war sie immer ein Bestandteil
der Volksmedizin aber auch von der Antike bis ins 19. Jahrhundert
ein unverzichtbarer Bestandteil der sich als wissenschaftlich
verstehenden Medizin.
Die Basis ihres Einsatzes bildete die grundsätzliche Vorstellung der
sog. Säfte-Lehre, wonach Krankheitsursachen hauptsächlich in den
flüssigen Substanzen, den Säften des Körpers, und deren
Ungleichgewicht zu suchen sind.Ihre Anwendung gestaltete sich übersichtlich: Blutüberfluss
bzw. Fülle wurden analog zum Aderlass ausgleitet, daneben fand sie
Anwendung bei akuten Infektionen, lokalen Entzündungen und
Herz-Kreislauferkrankungen.
Ihren Höhepunkt erlebte die Therapieform im 18. Jahrhundert unter
dem Arzt Broussais, der bis zu 100 Egel für eine Behandlung
einsetzte. Kritiker nannten diese Epoche "Vampirismus". Die
Folge war im 19. Jahrhundert die teilweise Ausrottung der Egelbestände
in Mitteleuropa. Es folgte die Entdeckung der Bakterien als Krankheitserreger durch
Virchow und es entwickelte sich eine Bakterienphobie. Da Blutegel
eine Desinfektion nicht überlebten, wurden sie in Klinken nicht
mehr eingesetzt und gerieten mehr und mehr in Vergessenheit. Es
nutzte auch nichts, dass am Anfang des 20. Jahrhundert aus dem
Schlund des Egels ein Stoff isoliert werden konnte, der die
chemischen Eigenschaften besaß, erfolgreich bei Thrombosen,
Embolien und Infarkten eingesetzt werden zu können. Als sich dann
nach dem 2. Weltkrieg Heparin und später Marcumar zur Thrombose-
und Embolieprophylaxe durchsetzen, geriet der Blutegel auch weitgehend bei den Praktikern in
Vergessenheit.
Erst in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts erlebte der Egel
eine internationale Renaissance durch die moderne Naturheilkunde und
erhielt neue Bedeutung in der naturheilkundlichen
schmerztherapeutischen Behandlung. Ergebnisse mehrerer
wissenschaftlicher Studien aus naturheilkundlichen Abteilungen von
Unikliniken haben seine Bedeutung in der Behandlung von
symptomatischen Arthrosen herausgestellt.
2. Wie ist ein Blutegel aufgebaut?
Im Grunde besteht er aus einem riesigen, doppelwandigen
Verdauungsschlauch - vorne befindet sich ein Mund mit 3 Kiefern, der
Körper ist skelettlos, bewegt sich in Art einer Ziehharmonika und
endet hinten mit einem Saugnapf.
Die Mundregion mit ihren Funktionen bildet bei der Behandlung die
zentralen Faktoren: Um die richtige Stelle zum Zubissen zu finden,
tastet der Blutegel die Haut des Opfers ab; findet er Blut, Schweiß,
35-40 Grad Celsius oder gar die pulsierenden Schläge, die auf eine
Ader hinweisen - ist ein idealer Ort gefunden und er beisst zu.
Blutegel können sich beim Biss so fest anbeißen, dass man sie kaum
gewaltsam entfernen kann.
3. Wirkungsweise des Blutegels
Durch den Blutegelbiss kommt es zu einer prompten Wundblutung, die
aufgrund gerinnungshemmender Inhaltsstoffe im Speichel des Egels
eine Nachblutungszeit von mehreren Stunden (12 Stunden sind keine
Seltenheit) nach sich zieht.
Ebenso findet man im Speichel schmerzstillende und entzündungshemmende
Stoffe, die dank eines Enzyms im Körper des "Opfers" tief
ins Gewebe und damit nahe ans betroffene Gelenk vordringen können.
4. Indikationen einer Blutegeltherapie in der Tiermedizin
In der Tiermedizin sind folgende Einsatzgebiete herauszustellen:
beim Hund
- Arthrose
- Hüftgelenksdysplasie
- Akute Discopathie
- Spondylose
- Infektionen (Grind oder Eiterausschläge) der oberflächlichen oder tiefen
Hautschichten oder der Hautanhangsgebilde (z.B. Krallen)
beim Pferd
- Hufrehe
- Sehnenentzündungen
- Arthrosen
- Schleimbeutelentzündungen
Nicht angewendet werden dürfen Blutegel in folgenden Fällen:
- Störung des roten Blutbildes
- Verstärkter Blutungsneigung
5. Durchführung und Nachbehandlung einer Blutegelbehandlung
Blutegel dürfen grundsätzlich nur einmal angesetzt werden.
Da Blutegel sehr geruchsempfindlich sind, sollte die zu beißende Körperstelle
direkt vor der Behandlung nicht mit Salben, Cremes oder sonstigen
Duftstoffen in Berührung kommen, da die Egel sich sonst "angewidert" abwenden würden.
Die voraussichtliche Bissstelle wird rasiert, mit klarem warmem Wasser
gereinigt und mit einem scharfen Gegenstand (Skalpell) angeritzt, um
dem Egel durch den hervortretenden Blutstropfen die Beißstelle
"schmackhaft" zu machen. Es wird dafür gesorgt, dass das
zu behandelnde Tier sich entspannt niederlegen kann.
Nach dem Abfallen des Blutegels (das kann bis zu zwei Stunden dauern), wird
die Wunde abgedeckt und mit einem saugfähigen, lockeren Verband
versehen, um die Nachblutung nicht zu unterbinden. Je länger die
Saug- und Nachblutzeit, desto größer ist der zu erzielende Erfolg.
6. Mögliche Nebenwirkungen
- Juckreiz an der Bissstelle, verbunden mit Rötung und Schwellung
- Die Blutegel sind auf ihrer Hautoberfläche mit einem Wirtsbakterium
besiedelt. In sehr seltenen Fällen kann es zu einer
bakteriellen Infektion kommen, die dann mit geeigneten
Antibiotikagaben behandelt werden muss.
Diese Nebenwirkungen wurden nach der Literatur bei Menschen festgestellt -
im Tierreich liegen die beobachteten Fälle bei einer Quote von 1:10.000.
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