1. Geschichtliche Darstellung
Es wäre falsch, die traditionell chinesische Medizin
(TCM) nur als die
Methode der Akupunktur zu sehen - vielmehr beinhaltet sie die
Akupunktur, Akupressur, Kräutermedizin (Phytotherapie), Ernährungstherapien
und verschiedene Formen der gymnastischen Übungen.
Akupunktur umfasst also nur einen Teilbereich der TCM und stellt
eine der ältesten medizinischen Behandlungsformen dar. Man nimmt
an, dass in Indien bereits vor 7.000 Jahren akupunkturähnliche
Behandlungen durchgeführt worden sind. Bereits 3.000 v. Chr. wurden
in China Nadeln aus Stein und Fischknochen verwendet.
Eines der ältesten Dokumente über die TCM ist „Der Klassiker des
gelben Kaisers zur Inneren Medizin“, der zwischen 400 und 200 v.
Chr. entstanden ist. Auf Grundlage der TCM beschreibt dieses Werk
die orientalische Philosophie der Anatomie, Physiologie, Pathologie,
Diagnose und Therapie der Erkrankungen jener Zeit. Hier findet man
z.B., dass das Blut konstant durch den Körper strömt und dabei vom
Herzen kontrolliert wird - die Entdeckung der Funktion des
Blutkreislaufs durch William Harvey geschah erst 1628. Ein weiteres
beeindruckendes Beispiel liefert die Farbzuordnung „schwarz“ zum
Funktionskreis Niere/Blase. Heute weiß man aus klinischen
Darstellungen, dass Patienten mit Nierenerkrankungen unter der Haut
einen dunklen Farbstoff anlagern, der ihnen ein schwärzliches
Aussehen verleiht.
Erst während der Ching-Dynastie (1644–1911) gelangte die
medizinische Philosophie des Westens ins Land und erlangte mehr und
mehr Einfluss, mit dem Ergebnis, dass im Jahr 1929 die Ausübung der
TCM durch die Regierung verboten wurde. Da der größte Teil der Bevölkerung sich aber
nicht an dieses Verbot hielt, wurde sie weiterhin heimlich durchgeführt.
Während der Revolution in China, als eine Malaria-Epedemie unter
den Soldaten ausbrach und keine Medikamente mehr zur Verfügung
standen, um die Soldaten zu behandeln, traten TCM-Ärzte auf den
Plan und verhalfen jenen nach drei Behandlungstagen wieder zur
Dienstbereitschaft und letztendlich zum Sieg der Truppen.
Mao war von der Effektivität der Akupunktur derart überzeugt, dass
er nach seiner Machtübernahme alles daran setzte, dass chinesische
Ärzte fortan sowohl in der westlichen Medizin als auch der TCM und
Akupunktur ausgebildet wurden und die beiden Heilmethoden den
gleichen Status erhielten.
2. Beschreibung der Funktionskreise
Bevor die neuen Technologien der Medizin also in China Einzug hielten, mussten sich
die chinesischen Ärzte auf ihre fünf Sinne verlassen, um
Krankheiten zu erkennen und zu behandeln.
Ohne die heute geläufigen Kenntnisse über den Körper beschäftigten
sie sich mit der Frage, was wohl im Körper vorgehen muss, um ihn am
Leben zu erhalten? Sie fanden Muskeln und Haut, die ihn
zusammenhielten, den Brustkorb, der die Atmung ermöglichte, den
Unterleib, in dem Urin gesammelt wurde, den Bauch, der bei der
Verdauung eine Rolle spielt und das schlagende Herz, das Blut durch
den Körper pumpt und ihn erwärmt.
Sie erkannten Ähnlichkeiten zwischen den Naturgewalten und dem Körper
und entwickelten so ein System der Gesundheitsvorsorge und
Behandlung, das beide Bereiche vereint- das System der fünf
Wandlungsphasen mit den Elementen:
Erde wird mit der Verdauung in Verbindung gebracht (Milz/Pankreas, Magen)
Metall wird der Atmung zugeordnet (Lunge, Dickdarm)
Wasser und Rohrleitungen (Niere, Blase)
Holz übernimmt die gesamte Verarbeitung von Giften (Leber, Gallenblase)
Feuer wird dem Kreislauf von Blut, Hormonen und Nahrungsbestandteilen
zugeordnet (Herz, Dünndarm)
Diese Elemente werden nicht als statische Gebilde gesehen, sondern stehen
miteinander in Verbindung und bilden ein Gleichgewicht. Wenn man
diese Elemente graphisch als eine sternförmige Abbildung darstellt,
kann man dieses „Fließen“ leicht nachvollziehen:
Feuer schmilzt das Metall, metallene Äxte spalten das
Holz, der gefällte
Baum blockiert die Erde und die blockierte
Erde bildet einen Damm für
das Wasser. Staut sich zuviel Wasser auf, bricht der Damm und das
Feuer wird gelöscht.
Am Beispiel einer Krankheit sieht das so
aus:
Liegt eine Schädigung der Nieren vor, kann das Wasser den Rest des Körpers
überfluten. Diese Flüssigkeit wird sich im Brustraum ansammeln und
das Herz daran hindern, Blut richtig durch den Körper zu pumpen.
Herzversagen kann die Folge sein. Hier greift der Zyklus der
Kontrolle ein: Das Wasserelement der Nieren soll das Feuer des
Herzens kontrollieren.
In der westlichen Medizin käme jetzt wahrscheinlich ein
Medikament zum Einsatz, das die Ausscheidung von Wasser aus dem Körper
verstärken würde.
Im Sinne der TCM würde man mit Akupunktur und Kräutern
versuchen, die Balance zwischen Herz und Nieren wieder herzustellen,
indem das Herz gestärkt und die Nieren reguliert
werden.
Hier soll nun einer der großen Unterschiede zwischen der westlichen
und der östlichen Denkweise erläutert werden:
Im Westen sind wir darauf trainiert, Ursache und Wirkung der
Dinge zu sehen. Wenn A passiert, wird B die Folge sein. Hier ist
Gesundheit, dort die Krankheit.
Die östliche Denkweise sieht eher kreisförmige Rhythmen. Sie
spricht von Gleichgewichten und Imbalancen. Neigt sich die
Waagschale in eine Richtung, hat dies ein Ungleichgewicht zur Folge,
das je nach Gewichtverteilung in den anderen Schalen auf
unterschiedliche Weise ausgeglichen werden kann.
3. Die fünf Konstitutionstypen
Gesundheit ist für TCM- Ärzte das Gleichgewicht im konstanten Fluss von
Ursachen. Krankheit entsteht, wenn diese Balance für längere Zeit
gestört ist. Frühzeitiges Erkennen von Ungleichgewichten ist
Gesundheitsprophylaxe im chinesischen Sinn. Im Idealfall werden dies
erkannt und behandelt, bevor sie zur Krankheit werden können.
So hat man z. B. herausgefunden, dass den einzelnen Elementen bestimmte
Emotionen, Jahreszeiten, Tageszeiten, Gerüche oder Klimafaktoren
zugeordnet werden können. Unter Berücksichtigung dieser
Erkenntnisse entstehen nun verschiedene Typen, die für sie typische
Neigungen zu Imbalancen aufzeigen:
Feuer-Typ
(Herz, Dünndarm)
Sommer, Hitze, Freude, Gehör, Muskeln, rot
aufgedreht und fröhlich, aber ängstlich, nahezu hysterisch,
wenn die Bezugsperson nicht in der Nähe ist. Bellt und regt
sich auf, bis kaum noch Luft bekommen wird. Das Herz schlägt sehr
schnell, verträgt direkte Sonneneinstrahlung nur schlecht. Zappelt
im Schlaf- "kommentiert" die Träume.
Erd-Typ (Milz/Pankreas,
Magen)
Spätsommer, Feuchtigkeit, Sorge, Mund, Muskeln, gelb
übergewichtig, gemütlich, will gefallen, ist folgsam und empfänglich für die
Stimmungen seines Menschen. Ermüdet schnell und hat auch nichts
gegen einen Nachmittag auf dem Sofa. Scheint zu grübeln; unter
Stress treten leicht Durchfall und Erbrechen auf. Ist kein
Morgen-Tier. Energie und Appetit steigern sich im Lauf des Tages-
stibitzt auch gerne mal Süßigkeiten.
Metall-Typ
(Lunge, Dickdarm)
Herbst, Trockenheit, Trauer, Nase, Haut, weiß
neigt zu trockener, schuppiger Haut, Fell ist sehr trocken. Neigt
zur Trauer. Ist häufig anfällig für Atemwegserkrankungen, die
verstärkt im Herbst auftreten. Neigt zu Verstopfung.
Wasser-Typ
(Niere, Blase)
Winter, Kälte, Angst, Ohren, Knochen, schwarz
Angst vor allem. Am Anfang der Bewegung oft steif. Krankheiten treten
verstärkt im Winter auf.
Holz-Typ
(Leber, Gallenblase)
Frühling, Wind, Zorn, Augen, Krallen, grün
Oft schlechte Laune, tyrannisiert andere, fängt gerne Streit an.
Hat oft Hautekzeme und strömt starken unangenehmen Geruch aus. Kot
oft mit Schleim- oder Blutbeimengungen.
Mit dieser Darstellung soll eine Vorstellung der „reinen“ Persönlichkeit
nach TCM gegeben werden. Natürlich treten diese Archetypen nie in
der Realität auf. Da unsere Haustiere aber glücklicherweise
Neigungen zu den einzelnen Elementen zeigen, ist es leichter zu
erkennen, in welchem Bereich Ungleichgewichte zu erwarten sind.
4. Der Weg zur Diagnose
Der Weg der traditionellen chinesischen Untersuchung besteht aus
folgenden Teilen:
Betrachten - Hören - Betasten - Riechen
Das Tier wird in seiner natürlichen Umgebung betrachtet
- wie verhält
es sich, ist es ruhig, aufgeregt, konzentriert, ablehnend, aggressiv
....
Das Hören findet nicht nur mit Hilfe des Stethoskops statt, es wird
auch auf Stimme oder sonstige Lautäußerungen geachtet.
Beim Betasten wird auf Beschaffenheit des Fells, vorhandene Wärme- bzw.
Kältefelder geachtet. Sind Körperpartien geschwollen, reagiert das
Tier irgendwo schmerzhaft, ...
Gerochen wird an allen Körperöffnungen.
Es folgt die Zungendiagnostik, da die Zunge der Spiegel des Körperinneren
ist.
Die Spannkraft der Zunge gibt Auskunft über den Zustand des
Kreislaufs, der Belag reflektiert sowohl Magen und
Verdauungsvorgänge als auch Fülle- oder Leerezustände. Der Zustand
des Zungenmuskels verrät den Zustand des Qi von MP/ Ma.
Darüber hinaus spiegeln sich die einzelnen Organe an verschiedenen Stellen
der Zunge wieder und lassen somit eine Aussage über evtl.
bestehende Ungleichgewichte zu.
Im Idealfall hat sich bereits jetzt ein Bild geformt, das ganz klar
Ungleichgewichte aufweist. Zur Absicherung der Diagnose werden jetzt
die sogenannten druckdolenten Punkte abgetastet, die sich entlang
der Wirbelsäule befinden und die ebenfalls jeweils einem
Organsystem zugeordnet sind. Reagiert das Tier hier entsprechend,
steht der Auswahl der Akupunkturpunkte nichts mehr im Weg.
5. Die Behandlung mit Nadeln
Das Einstechen der Nadel an einem geeigneten Akupunkturpunkt bewirkt
eine Stimulation, die verschiedene biochemische und physiologische
Zustände in Gang setzt. Dadurch wird das energetische Gleichgewicht
im Körper wieder hergestellt und die Ursache der Störung behoben.
Mit dieser Methode sollen die Selbstheilungskräfte des Körpers
angeregt werden, denn Akupunktur heilt nur, was gestört
ist und nicht, was zerstört ist!
Die Akupunktur wird mit Einmal- Nadeln durchgeführt. Gelegentlich tritt
ein kurzer Schmerzmoment auf, wenn die Nadel in empfindlichen
Bereichen die Haut durchsticht. Sobald die Nadel aber am richtigen
Platz sitzt, entspannen sich die Tiere und dösen sogar oftmals ein
während der Behandlung.
Die Behandlung wird je nach Krankheitszustand entweder an Folgetagen
rasch hintereinander ca. 3 mal durchgeführt - oder im chronischen
Fall 1-3 mal die Woche über einen Verlauf von 4-6 Wochen. Meist ist
jedoch eine eindeutig positive Reaktion schon nach der dritten oder
vierten Behandlung zu erkennen.
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